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Atlanta Falcons – Ein Orientierungsjahr

ATLANTA FALCONS – EIN ORIENTIERUNGSJAHR

Wenn man in der Fachsprache von einem Orientierungsjahr spricht, handelt es sich um ein Jahr, in dem man verschiedene Optionen wahrnehmen kann, ohne sich aber explizit festzulegen. Bezogen auf ein Studium kann man so also verschiedene Vorlesungen besuchen und in verschiedene Studiengänge schnuppern, ohne direkt für einen Studiengang eingeschrieben zu sein. Ein solches Orientierungsjahr bzw. Semester soll dabei helfen, eine für sich selbst gute Entscheidung zu treffen. Ähnliches kann man auf die Atlanta Falcons 2022 beziehen. Die Franchise befindet sich nach einem größeren Umbruch in einem solchen Orientierungsjahr.

NOTWENDIGER CUT

Der wohl größte Einschnitt für die weitere Zukunft des Teams ist der Abgang vom langjährigen Franchise-Quarterback. Matt Ryan (37, QB) verbrachte bisher seine gesamte NFL-Karriere bei den Falcons. Führte das Team nicht nur in den Super Bowl, sondern ganze drei Viertel sah man sogar nach dem Sieger aus. Wie schon so oft berichtet, verlor seine Franchise dann doch noch nach einer zwischenzeitlichen 28 – 3 Führung gegen die New England Patriots, die 51. Auflage, mit 34 – 28 nach Verlängerung! Ein Schlag von dem sich weder der M.V.P. von 2016, noch seine Kumpanen erholten. Über die Jahre warfen die Falcons immer wieder sicher geglaubte Partien weg. Man kassierte Niederlagen, die statistisch gesehen gar nicht mehr hätten verloren gegangen werden können. Ähnlich wie das beim Super Bowl gegen die Patriots der Fall war. Das negativ Image konnte man im Nachgang nicht mehr abstreifen.

Trotzdem hielt das Team aus dem US-Bundesstaat Georgia stets an ihren Strippenzieher fest. Oder vielmehr umgekehrt. Matt Ryan ist ein Spieler, dessen Situation man ähnlich mit Philip Rivers (40) vor wenigen Jahren vergleichen kann. Rivers schenkte seine besten Jahre den San Diego bzw. Los Angeles Chargers. Leider wurde er dort zu selten entsprechend unterstützt, so dass er meist unter seinen Möglichkeiten blieb und oftmals nicht den nötigen Respekt bekam. Auch Ryan gehört seit Jahren zu den Besten seiner Zunft. Allerdings wurde das Team um ihn herum zu selten in ernste Contender-Position gebracht. Die insgesamt sechs Playoff-Teilnahmen hatte man zumeist auf die Schultern seines Führungsspielers gehievt und dieser versuchte zu liefern. Insgesamt aber zu wenig, um dauerhaft erfolgreich zu sein. Nun scheint es so, dass am Ende seiner Karriere auch „Matty Ice“ nochmals einen Versuch außerhalb seines gewohnten Umfelds versuchen möchte. Mit einem Wechsel in der Offseason zu jenen Indianapolis Colts, welche auch Philip Rivers in seinem letzten NFL Jahr zur Seite standen, versucht nun der 1,93 Meter Hüne nochmals aus dem alten „Loser-Image“ der Falcons endgültig herauszutreten. 

Für seine ehemalige Franchise bleibt nun erst einmal eine Phase in dem man schauen muss, wer diese wichtige Position besetzen wird. Aktuell lenkt Marcus Mariota (28, QB) die Geschicke. Persönlich glaube ich jedoch nicht, dass das die endgültige Lösung für die nächsten Jahre sein wird! Mariota kam mit ordentlich Lorbeeren aus dem College, schaffte es aber nicht bei den Tennessee Titans der ersehnte Franchise-Quarterback zu werden. Es folgten zwei Jahre als Back-Up bei den Las Vegas Raiders, ehe er nun die Chance bei den Falcons erhielt. Es wäre somit eine Überraschung wenn diesmal Mariotas Durchbruch gelingen würde. Zugegeben, er schlägt sich bisher ganz solide. Nach den bisherigen sechs Partien steht die Bilanz des Teams bei guten drei Siegen zu drei Niederlagen. Hier hatte ich ehrlich gesagt einen deutlich schlechteren Saisonstart erwartet! Allerdings war man sich in der Offseason mit dem Verlust von Ryan bewusst, dass man einen neuen Weg geht. Ähnlich wie der langjährige Starspieler versucht auch die Franchise das eigene Image nun in eine andere Richtung zu lenken. Dafür war es irgendwann notwendig, einen neuen Weg, welchen man nun mit Mariota versucht, zu gehen. Eine Win-Win-Win Situation für sowohl Ryan, die Franchise und natürlich auch Mariota.

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NOTWENDIGE NEUAUSRICHTUNG

Nicht alleine die Quarterback-Position wurde neu besetzt. Für die Fans der Falcons waren die letzten zwei Spielzeiten nicht einfach. So wurde vor Ryan bereits seine wichtigste Anspielstation in der letzten Saison abgegeben. Super-Receiver Julio Jones (33, WR, Buccaneers) tradete man zunächst zu den Titans nach Tennessee, was den Umbruch des Teams förmlich einleitete. Das Duo welches das Team über Jahre auf einem ordentlichen Niveau hielt ist nun weg. Dies führt zwangsläufig zu einer Neuausrichtung. Angesichts des Alters der beiden, ein absolut nachvollziehbarer Schritt! Strategisch gut war dabei vor allem, dass man anders als andere Franchises diesen Umbruch nicht völlig radikal vollzog. Auch ältere Leistungsträger wie Cordarrelle Patterson (31, WR) oder Jake Matthews (30, OT) bekamen neue Verträge. So versucht man den Übergang zwar voranzutreiben aber nicht Lücken zu reisen, welche man dann überhaupt nicht schließen kann. Ganz im Gegenteil, hatte man das Gefühl den richtigen Spieler zur Verstärkung unter Vertrag nehmen zu können, welcher auch gleichzeitig für die jungen Neuzugänge ein gutes Vorbild sein kann und Verantwortung übernimmt, so gab man auch diesen Spielern eine Chance. Dies ist daher auch eine der Hauptgründe warum man dieses Jahr nicht komplett an die Wand fährt. 

Einer dieser Spieler ist zum Beispiel Casey Hayward (33, CB) welcher junge Spieler wie Darren Hall (21, CB) anleiten und so auf die nächste Stufe begleiten soll. Man kann also durchaus ein System in diesem Umbruch erkennen. Trotzdem ist das Ganze ein Übergangsjahr welches zur Orientierung genutzt werden soll. Welche Spieler nehmen die gewünschte Entwicklung und sind Optionen für die Zukunft? Oder welche Spieler müssen ggf. ersetzt werden? Es gibt nämlich so einige Spieler bei den Falcons, für die ich meine Hand nicht ins Feuer legen würde, sie auch nächstes Jahr in Rot-Schwarz-Weißer Uniform zu sehen. Durch viele Kurzzeitverträge ist man so nächstes Jahr in der Offseason flexibel und kann dann entsprechend mit Langzeitverträgen reagieren oder aber sich nach Alternativen umsehen. Voraussichtlich wird man dann 2023 eines der Teams mit dem größten Cap Space zur Gehaltsobergrenze sein. Wir können uns also auf eine aktivere Offseason für die Falcons im nächsten Jahr einstellen.

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VERBESSERTES COACHING

Was 2022 auch besonders auffällt ist das deutlich verbesserte Coaching im Vergleich zum letzten Jahr. Head Coach Arthur Smith (40) hat ein Jahr gebraucht bis er sich auch selbst etwas akklimatisiert hat. Der Weg von Smith zu diesem Posten ging rapide schnell. Das zeigt zwar, was er fachlich drauf hat, kann aber auch schnell zum Nachteil werden, wenn man selbst als Hauptverantwortlicher in der Pflicht ist. Freilich durchläuft Smith bereits seit vielen Jahren diverse Coaching Rollen in der NFL. Nach zwei Jahre Offensive Coordinator bei den Titans, erhielt er allerdings bereits das Angebot des Head Coaches von Atlanta. Entgegen mancher Ratschläge, nahm er den Posten an. Letztes Jahr führte er dann sein Team zu ordentlichen sieben Siegen und zehn Niederlagen. Eine klare Verbesserung im Vergleich zu den Jahren davor. Trotzdem wirkte vieles alles andere als Rund. Dies ist im ersten Jahr eines neuen HC auch vollkommen normal. Dennoch gab es Situation, in dem das Coaching von Playcall über Formationen und taktische Herangehensweisen nicht gut waren. Dieses Jahr ist hier eine merkliche Verbesserung zu sehen.

Obwohl man in Matt Ryan einen Top QB verloren hat und mit Mariota nicht wirklich kompensieren konnte, ist die Offensive in den Top 10 zu finden! Auch die Defensivleistung hat man verbessern können. Letztes Jahr gehörte man hier zu den schlechtesten Teams und verbesserte sich nun zumindest ins Mittelfeld. Daher ist die 3 – 3 – 0 Bilanz bisher nur die halbe Wahrheit. Playoff-Kandidaten wie die San Francisco 49ers hielt man bei gerade mal 14 Punkten! Auch gegen weitere ambitionierte Teams wie die Tampa Bay Buccaneers (15 – 21) oder Los Angeles Rams (27 – 31) schlug man sich beachtlich! Mit Blick auf die restlichen Partien in dieser Spielzeit, sehe ich definitiv Potenzial das erste ordentliche Jahr unter Smith sogar noch zu überbieten. Bedenkt man nun welche Optionen sich in der nächsten Offseason ergeben werden, hätte man das Orientierungsjahr mehr als gut genutzt. Vielleicht verleitet die ungewisse Zukunft einzelner Spieler dazu, dass diese herausragende Leistungen abrufen um sich so den langfristigen Platz im Team sicherzustellen. So oder so ist dieses Orientierungsjahr der Falcons ein mitunter spannendes in dem ich ihnen noch so einige Überraschungen zutraue!

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