Cleveland Browns – Zwischen Euphorie Und Realität
CLEVELAND BROWNS – ZWISCHEN EUPHORIE UND REALITÄT
Kaum ein Team wurde in dieser Offseason so gehypt wie die Cleveland Browns. Eine Mannschaft, welche in den vergangenen Jahren nicht mal in Träumen an die Playoffs dachte, wurde plötzlich sogar schon als Titelaspirant gehandelt. Ein Aufschwung, welcher bereits im Verlauf der letzten Saison begann, aber mittlerweile in der ernüchternden Realität angelangt ist. Doch was ist eigentlich genau passiert?
Mayfield Belebt Die Franchise
Der Aufschwung der Browns lässt sich speziell mit einem Namen in Verbindung bringen: Baker Mayfield (24, QB). Der Spieler, der als allererstes im NFL Draft 2018 ausgewählt wurde, lieferte auf anhieb. Nach dem er sich zunächst als Back-Up in der NFL zurecht finden sollte, wurde er plötzlich doch zum Mann „under Center“. Mit den Fehlern der Vergangenheit im Hinterkopf, wollte man Mayfield behutsam an das Spiel und den Druck in der NFL heranführen. Zu oft lag man in der Vergangenheit mit seinen Quarterbacks daneben. Diesmal wollte man alles anders und vor allem besser machen.
Als sich der etatmäßige Starter Tyrod Taylor (30, QB) am 3. Spieltag gegen die New York Jets verletzte, wurde das Zepter an Baker Mayfield weiter gereicht. Fast schon wie ein alter Hase holte der Rookie die Kohlen aus dem Feuer. Er führte seine Mannschaft zu einem Comeback Sieg. Der Beginn der Ära Mayfield in Cleveland. Mit guten Leistungen konnte er nicht nur als Individualist überzeugen, sondern zeigte auch immer wieder abseits des Platzes gute Führungsqualitäten. Am Ende holte er in seinem ersten Jahr 6 Siege zu 7 Niederlagen. Eine Saison mit 6 Siegen gelang in den vorherigen 10 Jahren nur ein einziges mal! Mayfield benötigte gerade mal 13 Spiele! Dies nur, damit man die Leistungen Mayfield’s besser einordnen kann.
Schon damals tat der Youngster unheimlich viel für die Franchise. Es schien so, als hatte es zwischen dem Team und dem Spieler sofort geklickt. Vor jedem Heimspiel war eine Energie zu spüren, wie es schon lange nicht mehr bei den Browns der Fall war. Man hatte das Gefühl als gab Mayfield einer ganzen Stadt Hoffnung. Letztlich gab er seinen Kammeraden, den Fans und auch den Verantwortlichen den Glauben zurück. Urplötzlich hatte man wieder ein Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Dies sahen die Verantwortlichen und versuchten daher im Sommer die Welle der Euphorie weiter voran zutreiben. Ein Unterfangen, was besser nicht hätte laufen können.
BeckhamMania In Cleveland
Es waren sicherlich auch Mayfield’s Leistungen auf dem Feld, die eine solche Offseason überhaupt ermöglichten, aber abgeschlossen haben die Deals die Verantwortlichen um Teambesitzer Jimmy Haslam (65). Man holte einige gute Spieler in den US Bundesstaat Ohio. Das Highlight war jedoch unangefochten der Trade von Odell Beckham Jr. (26, WR). Nach langen Verhandlungen mit den New York Giants einigte man sich auf einen Deal, welcher Beckham nach Cleveland schippte. Im Gegenzug bekamen die Giants Jabrill Peppers (24, SS), einen 1. Runden und einen 3. Runden Draft Pick.
Während man am Big Apple trauerte, schlug dieser Trade in Cleveland ganz andere Töne an. Es wurde von Polizeieinsätzen gesprochen, weil Browns Fans wild schreiend und jubelnd auf den Straßen umher rannten! Eine wahre Beckhammania setzte ein. Zuerst ein Euphoriegenerator wie Mayfield und dann auch noch ein Euphorieträger á la Beckham Jr.! Die Fans hofften somit folgerichtig auf gute Zeiten und die Experten prognostizierten sie. Auf einmal gehörte Cleveland zu den heißesten Playoff Kandidaten. Tagelang gab es in der Football-Welt nur ein Thema: „Beckham zu den Browns“!
In Der REalität angekommen?
Die Zeichen standen auf Sieg, was man aber am ersten Spieltag geboten bekam war schwere Kost. Die Browns gingen als großer Playoff Kandidat in die Saison 2019. Am ersten Spieltag gegen die Tennessee Titans sollten also bereits die Weichen gestellt werden. Am Ende wurde man vor den heimischen Fans mit 43 – 13 abgefertigt! Eine ganze Stadt wirkte wie geschockt. Man war doch plötzlich wieder jemand. Wie konnte so etwas passieren? Das große Rätselraten begann. Natürlich versuchte man Ruhe zu bewahren. Ein Sieg über die New York Jets verschaffte zwar etwas Ruhe, doch diese währte nicht lange.
Eine Niederlage gegen den letztjährigen Super Bowl Teilnehmer aus Los Angeles vermieste erneut die Stimmung. Die Rams setzten sich mit 20 – 13 durch. Eine Besserung zur 1. Woche war trotzdem klar spürbar. Als man den stark gestarteten Baltimore Ravens dann in der 4. Woche die Grenzen aufzeigte, schien es so, als habe man nun den richtigen Ton getroffen. Die starke Verteidigung der Ravens wurde mit 40 Punkten fast schon vorgeführt. Man setzte damit ein Zeichen, was alles möglich ist mit dieser Mannschaft. Mayfield verteilte die Bälle und ein weiterer Starreceiver lieferte ab. Jarvis Landry (26, WR) welcher bereits mit Beckham Jr. am College zusammen spielte, zeigte wie wertvoll er für sein Team ist. Werden beide richtig eingesetzt, dann gibt es wahrscheinlich kein besseres Wide Receiver Duo wie Jarvis Landry und Odell Beckham Jr. in der gesamten Liga!
In den letzten Jahren überzeugten beide durch unglaubliche persönliche Statistiken. Zusammen in einem Team, eigentlich der Albtraum einer jeden Verteidigung. Schließlich hat man ja mit Baker Mayfield auch einen vermeintlichen Spielmacher, der beide in Szene setzen sollte. Dies war sicherlich auch einer der Gründe, warum die Browns von vielen als Playoffkandidat gehandelt wurden. Wie man es jedoch gegen das Passspiel der Browns macht, zeigten just die San Francisco 49ers am vergangenen Dienstagmorgen.
Nur 100 Passing Yards Raumgewinn bei 22 Versuchen standen nach dem Spiel für Mayfield auf der Habenseite. Lediglich 8 kamen davon an. Vier für Landry, zwei für Beckham Jr. Es wurde der hochgelobten Offensive schlicht und einfach der Zahn gezogen. Mayfield hatte oft mit Druck zu kämpfen. Viermal wurde er dabei sogar gesackt. Mit 2 Interceptions und zwei Fumbles, wobei einer sogar verloren ging, musste sich der Leader der Browns viel Kritik anhören. Man warf dem Spieler vor zu einfach die Situationen zu akzeptieren. Sogar von einem „unbekümmerten“ Spiel war die Rede. Ganz so weit darf man aber nicht gehen.
Das sich die Browns die Saison bislang anders vorgestellt hatten, das mag sicherlich sein. Die Erwartungen erfüllt hat man bislang freilich noch nicht, aber es ist noch Zeit. Es sind immer noch 11 Partien zu spielen und bislang rangiert man mit einer Bilanz von 2 – 3 – 0 auf Platz 2 der AFC North. In den kommenden Partien wird man sehen wo man tatsächlich steht. Man befindet sich an einem Punkt, wo man nun in den nächsten beiden Wochen zeigen kann, wie reif man tatsächlich ist. Zunächst empfängt man die Seattle Seahawks, die in starker Form sind. Danach geht es zum schweren Auswärtsspiel bei den New England Patriots. Mit zwei Niederlagen wären die Playoffträume wahrscheinlich schon ausgeträumt, aber man hat auch gegen die Ravens gesehen was passiert, wenn Cleveland zu früh abgeschrieben wird.
Außerdem darf man auch nicht vergessen, dass sich die Franchise nach jahrelangen Durststrecken in einem Prozess der Entwicklung befindet. Der Quarterback befindet sich erst in seinem zweiten Jahr und auch der neue Head Coach Freddie Kitchens (44) muss seine Philosophie noch umsetzen. In meinen Augen befindet man sich in Ohio auf einem guten Weg. Was man braucht, ist noch etwas Geduld und dann wird man durchaus auch um Titel mitspielen können. Die Euphorie ist angesichts des Starts zwar etwas abgeflacht, doch mit Blick in die Zukunft dürfen wir sicherlich weiterhin euphorisch sein.
